29.07. – 19.08.2018
In Noemi Webers neuester Werkserie verbindet sich das Zurücksehen und Suchen diffuser Erscheinungen mit dem Forschen an Methode und Materialität der Malerei. So hat sich die Künstlerin mit einem alten, längst ausrangierten Liegestuhl Erinnerungen ins Atelier geholt – Erinnerungen an Formen und Ereignisse. An die skurrile Lineatur der ungelenken Beine, die verzerrten Räume, die sie umreißen. Und daran, wie sich der versehrte Kunststoff mit Licht und Schatten, Erde und Tau vermengte.
Webers Werke verfolgen nicht den einen, „wahren“ Kern des eigenartigen Dings, sondern übersetzen vielmehr das, was nur flüchtig, wie im Augenwinkel, gesehen war. Dabei ist es die kontinuierliche Arbeit der Künstlerin an dem Verhältnis von Farbe und Träger, von Bild und Material, die sich als zentrales Anliegen dieser Serie zeigt.
So ist die Reihe halbrunder Textilstücke, die sich durch den Ausstellungsraum ziehen, buchstäblich getränkt in Farbe. Fast sedimenthaft hat sich diese auf den Kunststoffoberflächen abgelagert und die Form des Baustellengewebes beim Trocknen mitbestimmt. So grob das Trägermaterial, so luftig zart ist gleichzeitig der dünne Schleier in Rosa und Gelb.
Ungewöhnliche Malgründe wie auch Armierungsgewebe, Luftpolster- oder Plastikfolie sind ein widerkehrendes Motiv in Webers Arbeit und doch widmet sich die Künstlerin in dieser Ausstellung auch der Leinwand. Den Prozess der Präparation, der üblicherweise „vor“ der eigentlichen Artikulation des Künstlers, also „vor“ dem Bild stattfindet, holt Weber in die Mitte des Malakts. Anstatt den Acrylbinder zur Straffung des Gewebes gleichmäßig aufzutragen, malt die Künstlerin mit diesem. An diesen Stellen zieht sich der Stoff zusammen, schlägt Wellen wie Papier. Auf einem der Gemälde stülpen sich auf der nackten Leinwand gar mehrere Farbschichten reliefhaft zu topografisch anmutenden Formationen übereinander, bilden geschwungene Rillen wie ein Flussbett, in der sich die Farbe ansammelt. Andere Gemälde sind dagegen akribisch grundiert – ihre glatten Oberflächen treten gerade im Kontrast zu den rohen umso deutlicher in ihrer „Gemachtheit“ hervor.
So ist der Träger nicht neutraler Raum, nicht metaphysische Leere im Sinne einer idealen Voraussetzungslosigkeit des Schaffensprozesses, sondern als Resultat von künstlerischen Entscheidungen sowie der kontingenten Eigentätigkeit der Malmaterialien markiert – der „Grund“ der Formen wird befragt.
Dabei steht immer wieder aufs Neue zur Disposition, was scheinbar längst gewusst war. Ein bisschen wie der marode Stuhl, der aufgehört hat, Stuhl zu sein – und von dem man plötzlich auch nicht mehr recht wissen kann, was er ist.
Ramona Heinlein
Ausstellungsort:
PiK Projektraum im KunstWerk