SimultanProjekte 2022
12.06. – 18.09.2022
Ein Holzrahmen, beinahe quadratisch, darunter sieben Rollen, zwei metallene Griffe – zum Halten? Zum Schieben und Ziehen? Der Grundriss der Simultanhalle, knapp 10 auf 10 Meter, komprimiert sich in „Copycat“ auf einen Kubus von 2 x 2 m Kantenlänge. Der „Tageslicht-Test“, der ursprüngliche Ausgangspunkt für die Entstehung der Simultanhalle, wird mit dem Modell des Modells ad absurdum geführt: Die schützende Gebäudehülle fällt weg, die eigentlich auszutestenden Sheddächer kippen zur Seite und werden mit schwarzen Bitumenwellplatten verkleidet. Die Holzkonstruktion hingegen, der statische Kern der Simultanhalle, bleibt in seinen Relationen erhalten und verweist zeitgleich auf die zweite Identität, die in „Copycat“ steckt.
Das Künstlerinnen-Duo /POKY entstand, als Alina Röbke und Julia Gerke eine Brachfläche der Mainzer Kunsthochschule besetzten. Sie errichteten einen temporären Ausstellungsraum, das „POKY Institute“, auf einem statisch unnutzbaren Platz und formten mit dem Holzkubus als physikalische Skulptur auch einen sozialen Körper. Eine parasitäre Keimzelle für den Austausch künstlerischer Positionen, an den baustatischen Regularien der Hochschule vorbei und dennoch im Zentrum der künstlerischen Auseinandersetzung. Mit dem Abbau des temporär angelegten Ausstellungsraums in Mainz wurde POKY zu einer raumlosen Institution, einem Kollektiv ohne physikalischen Körper. Was passiert, wenn die identitätsstiftende Architektur wegfällt?
Eben jene Kanthölzer, die den architektonischen Raum POKYs begründeten, formen nun „Copycat“ – das selbe Material, ein neuer Körper. Die verwendeten Bitumenwellplatten zitieren die Seitenverkleidung der Simultanhalle. Ganz beiläufig fragt das Künstlerinnenduo mit dieser Arbeit nach dem heutigen Begriff des Unikats, nach der Reproduzierbarkeit eines Werkes und der Urheberschaft in architektonischen Formen. Andererseits lösen die Akteurinnen hinter /POKY mit ihrer kuratorischen wie künstlerischen Arbeit die Gattungsgrenzen von Kunstbegriffen auf. So ist „Copycat“ mehr als ein Modell vom Modell. Es wird zur eigenständigen Skulptur, in der die tragende Holzkonstruktion doch nur sich selbst trägt; zur dreidimensionalen Bildfläche, die sich je nach eingenommener Perspektive einen eigenen Rahmen schafft; und mit der Performance von Thea Soti schließlich zum Ausgangspunkt neuer künstlerischer Kooperationen.
Das Duo /POKY sucht sich neue Orte und wird zu einer wandernden Institution. Vielleicht entwickelt ihre Arbeit „Copycat“ ein Eigenleben, autark vom ursprünglich geklonten Körper, ganz wie 2001 die erste Klonkatze „CC“. Oder es ließe sich mitnehmen, rausrollen zur Straße, auf die Hundewiese vor dem alten Schulhaus, in andere Stadtteile und Orte. Und was passiert, wenn die Kopie wieder auf das Original abfärbt? Wenn man Haltegriffe und Rollen – rein gedanklich – an die Simultanhalle montieren würde?
Anna Schütten
Copycat
Holz, Bitumenwellplatten, Rollen, Griffe
2022