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    • Rebekka Benzenberg, pretend to be, 2025. Photo: Carla Hamacher

    • Rebekka Benzenberg, pretend to be, 2025. Photo: Julla Kroner

    • Rebekka Benzenberg, pretend to be, 2025. Photo: Carla Hamacher

    • Rebekka Benzenberg, pretend to be, 2025. Photo: Carla Hamacher

    • Rebekka Benzenberg, pretend to be, 2025. Photo: Carla Hamacher

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    ABER

    SimultanProjekte 2025
    02. – 23.08.2025

    Wir stehen draußen, uns scheint die Sonne ins Gesicht und wir blicken auf die vor uns liegende triste Fläche. Mit den friedlich im Wind wiegenden Bäumen und dem aufgerissenen Betonboden wirkt es wie ein verwahrloster Ort – ein Lost Place. Plötzlich erscheint vor uns eine Grenze, etwas wird künstlich vor uns abgeschlossen: In der Mitte des Hofes stehen Bauzäune, die mit Pelzmänteln behangen sind. Sie mimen jene Zäune ein paar Meter neben ihnen, die die Simultanhalle umgeben. Die unliebsamen Zäune sind uns noch aus dem letzten Jahr bekannt. Sie dienen dazu, uns den Eintritt in die eigentliche Ausstellungsfläche zu verwehren. Aber jetzt sind die Zäune selbst zum Werk geworden. Im Zentrum bildet sie eine neue Separierung – neue Räume, die wir umgehen und vielleicht sogar Einblicke in sie gewinnen können. Anders als gegenwärtig in die Simultanhalle.

    Der Zaun leistet beidseitigen Schutz für Mensch und Objekt und grenzt uns gleichzeitig von Letzterem ab. Der Zaun verändert permanent das Stadtbild – bildet aber auch die arbeitenden Menschen hinter dem Zaun ab. Die Pelze, die in der Installation „pretend to be“ von Rebekka Benzenberg an den Absperrzäunen hängen, erinnern an Plakate, die Botschaften enthalten. Sie können nach Benzenberg aber auch als metaphorisches Kriegsbanner gelesen werden. Als ein Erzeugnis aus der Natur schützt die tierische Haut Menschen schon früh vor kalten Temperaturen. Aber gleichzeitig ist die Geschichte des Pelzes definiert durch Machthaber:innen, Bourgeoisie und Reichtum. Er, der Pelz, ist ein sich den Geschlechtern fluide gegenüberstehendes Werkzeug der Machtrepräsentation.Pelz und Zaun scheinen sich sehr ähnlich, gar miteinander verwandt zu sein. Einen Pelz zu besitzen, ist eine Form der Abgrenzung. Das Ziel der Besitzer:innen ist dabei, sich von der Kollektiverfahrung abzuheben. Die meisten Menschen in unserer Gesellschaft erleben aber keinen Luxus, sondern eher das Gegenteil. Der Pelz prangert fast plakativ die (zeitgenössischen) ungerechten Verhältnisse an. Er ist zudem untrennbar mit dem männlichen Blick auf weibliche Erotik verknüpft und erscheint inder Popkultur oft als ikonisches Symbol – sei es in Verbindung zu stereotypischen Darstellungen von Sexarbeiter:innen oder als Ausdruck neureichen Lifestyles. Er wird zu einer Verkleidung des Sein-wollens. Somit wird der Pelzmantel in Benzenbergs Arbeit zu einer Kampfansage.Er wird straßentauglich. Auf dem Hof sind die Pelzmäntel, aber auch der Zaun den Wetterbedingungen ausgesetzt. Der Zaun wird keine Spuren davontragen, der Pelz allerdings schon. Die Struktur der Haare ändert sich von der eines gekämmten, domestizierten Tieres in die eines Straßenköters.

    Durch die Installation spiegelt sich nicht nur eine zeitlose Bewertung dieser toten Tierhaut, sondern auch eine klare Haltunggegen kapitalistische Akkumulation. Silvia Federici beschreibt in ihrem Buch „Caliban and the Witch: Woman, the Body and Primitive Accumulation“, dass der Protest als Mittel der Resistance nicht erst in unserem Jahrhundert geboren wurde. Ganz im Gegenteil gibt es Streik, Straßenkampf und Sachbeschädigung als Proteststrategie schon mindestens seit dem Mittelalter. Es ist ein langanhaltender Prozess – dieser Kampf um Gleichheit – einer, der unendlich scheint. Die Wiederholung der Ungerechtigkeit lässt das Ausbleiben des Aufschreis fast pervers erscheinen.

    „In this way, my body does not act alone, when it acts politically. Indeed, the action emerged from the ‘between’.“ ¹

    Judith Butler beschreibt in Bodies in Alliance and the Politics of the Street von 2011, dass es politisches Handeln braucht, um Grenzen zu verschieben. Solch ein politisches Handeln wird in der Begegnung von Körpern auf einem (öffentlichen) Platz möglich. Im Dazwischen formiert sich so ein neuer Raum. Das physische und sensorische Zusammenkommen von Menschen gilt hier als materielle Notwendigkeit für politische und künstlerische Arbeit. Hier wird hervorgehoben, wie wichtig es ist, Räume zu schaffen, die einen Austausch überhaupt erst ermöglichen, auch wenn wir uns dann an einem anderen Ort wieder treffen. Die Voraussetzung für dieses Zusammenkommen sichert der private Körper. Damit ist gemeint, dass der private Körper strukturgebende und materialistische Care-Arbeit zur Existenzsicherung leistet – unsichtbar und unbezahlt, damit der öffentliche Körper dann Raum einnehmen kann, um Grundbedürfnisse zu erkämpfen. Mit „pretend to be“ passiert eine Verschiebung und Sichtbarmachung von Begrenzungen und Bedürfnissenin die Öffentlichkeit, ganz im Sinne Butlers. Es bedarf Orte, um Allianzen zu bilden: Die Simultanhalle kann einer dieser Orte für uns sein.

    Rebekka Benzenberg beschäftigt sich in der Ausstellung ABER mit der Konstruktion eines Innen und Außen. Mit dieser Verhandlung produziert sie einen dichotomen Aufschrei. Sie versucht darauf aufmerksam zu machen, dass der ernsthafte politische Aufschrei heute lauter sein müsste als je zuvor, aber ausbleibt. In Benzenbergs Arbeiten fließen queer-feministische Perspektiven ein, nicht als programmatische Setzung, sondern als kritischer Blick auf Autorität und Norm. Frauen* wurden schon sehr lange künstlich aus Räumen ausgeschlossen. Es herrscht immer noch ein heteronormatives Monopol. Die Grenze impliziert, finden wir, ein Aufheben ihrer selbst. Sie fordert uns alle auf, gegen sie zu handeln, und zwar im Protest jedweder Art. Denn Kunst zu schaffen, kann subversiv sein, zwar nicht notgedrungen, doch möglicherweise.

    ¹„Auf diese Weise handelt mein Körper nicht allein, wenn er politisch handelt. Tatsächlich entsteht die Handlung aus dem ‚Dazwischen‘.“

    Text: Julla Kroner, Aenne Lowisch, Mara Unger

    Rebekka Benzenberg

    Rebekka Benzenberg studierte von 2013 bis 2020 an der Kunstakademie Düsseldorf unter Rita McBride und Ellen Gallagher. Sie absolvierte als Meisterschülerin bei Franka Hörnschemeyer. Ausgestellt hat sie bisher unter anderem im Düsseldorfer Museum, im Kunstpalast, der Kunsthalle Düsseldorf, der Sammlung Philara und der Anton Janizewski Galerie Berlin. Vertreten ist sie von der Galerie Martinetz in Köln.

    Benzenberg beschäftigt sich in ihrer künstlerischen Praxis mit sozialen Ordnungen,symbolischen Systemen und der gesellschaftlichen Konstruktion von Körpern. Dabei bewegt sie sich zwischen öffentlichem und privatem Raum, Intimität und Repräsentation –sie fragt nach normativen Vorstellungen von Körpern und wie Zugehörigkeit kulturell produziert und weitergetragen wird. Ausgangspunkt vieler Arbeiten ist die Frage, wie Macht-und Kontrollverhältnisse sich in Material, Form und Bild einschreiben und wie diese Ordnungen gestört, umcodiert und sichtbar gemacht werden können.