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  • Die Schändung

    05.04. – 02.05.2009

    In DIE SCHÄNDUNG bittet Peter Güllenstern sich und sein Publikum auf eine imaginäre Bühne. Im Mittelpunkt der Inszenierung stehen unterschiedliche autobiografische Requisiten des Künstlers, die nichts weiter als fabulöse Hinweise geben. Die verschiedenen Fotos und Skulpturen können dennoch als Denk- und Sinnbilder verstanden werden. Merk- und denkwürdig sind sie allemal, so zum Beispiel der Mond, der als Kontur, Ausschnitt oder Fleck in fast allen Schaustücken auf- und abtaucht. Und dann gibt es da noch einen Spiegel. Zwischen ihm und einer E-Gitarre bewegt sich der Betrachter. Spätestens jetzt erkennt er sich und seine nicht näher abgesprochene Rolle in diesem Stück. Spätestens an dieser Stelle kann er der Selbstinszenierung des Künstlers nicht mehr ausweichen.

    In Manier eines Bildhauers arbeitet Peter Güllenstern seine Choreografie aus seiner eigenen Lebenswelt heraus, so dass Figur und Grund, Innen und Außen, das Selbst und das Andere nicht unabhängig von einander ihre Form finden. „Content doesn’t matter“ lesen wir auf einem Bild, das sich zusammen mit einem goldenen Spazierstock in einem Schaukasten verbirgt. Hier scheint sich das ganze Stück noch einmal im Kleinen zu entfalten: Zu sehen sind die Stufen zur Bühne der Ausstellung, über der sich, in einem Kreis verschlossen, etwas Rätselhaltes ereignet.

    Könnte vielleicht ein Ensemble aus zwei Skulpturen einen näheren Hinweis auf die Inszenierung geben? Beide stellen Zeus während seiner Verwandlung zum Stier dar. In Ovids Metamorphosen lesen wir: „Europa war wie immer mit ihren Gefährtinnen aus dem Haus gegangen. An der Mündung des Flusses lief Europa mit ihrem goldenen Korb zwischen den Rosen umher. Plötzlich sahen sie sich von einer Herde von Stieren umzingelt, die von dem Boten Hermes angetrieben wurden. Darunter einer aus blendendem Weiß, mit kleinen Hörnern, die wie leuchtende Edelsteine aussahen.“

    So wie Europa von Zeus in Gestalt des weißen Stiers, so wird der Betrachter in die fabulöse Lebenswelt des Künstlers entführt. Höhepunkt der „Schändung“ ist ein kurzes Video. Es handelt sich um eine Premiere oder einen letzten Tanz. Hoffnungsvoll lässt sich der eitle Balletttänzer kurz vor dem Auftritt die Haare kämmen. So leicht kommt der Betrachter nicht davon. Fast unscheinbar gibt ein kleines Bild einen letzten Hinweis: „Sauve qui peut“ – Rette sich wer kann!

    Peter Güllenstern